"Hätte ich doch...!" Ein Gedanke, der sich mir schon so manches Mal in meinem Leben im Nachhinein aufgedrängt hat. Eine Zusage im Job, ein Versprechen einer Freundin gegenüber oder eine Shoppingtrofäe… To bad, to late!
Und dabei hätte ich mir die Arbeit, den Zeitdruck oder das Geld komplett sparen können, wenn ich nur 2 Min. nachgedacht hätte. Vermutlich kennt das jeder von uns und oft genug ist es auch nicht weiter tragisch, aber was, wenn doch?
Das Enneagramm gibt uns wertvolle Hinweise, welche Biases, Glaubenssätze und persönlichen Wahrheiten wir besonders achtsam überprüfen sollten, um persönliche Vorstellung und Realität trennen zu können. Was veranlasst mich zu tun, was ich tue? Nach welchen Parametern treffe ich eine Wahl? Woher weiß ich das? Woher kommen meine Aussagen, Urteile oder Vorstellungen über meinen Kollegen, eine Situation oder die Welt? Manches wurde uns in unsere kognitive Grundausstattung im Lauf der Evolution mit reingepackt, z.B. innerhalb einer Gruppe fühlen wir uns stärker oder für Essensvorräte in der Speisekammer vorzusorgen.
Andere Schlussfolgerungen beruhen auf eigenen Erfahrungen. Sehen wir Nahrung, dann schätzt unser Gehirn den zu erwartenden Geschmack und wir sind enttäuscht, wenn der Wein Zuhause nicht genauso lecker schmeckt, wie im Urlaub. Jeder der als Kind von einem Hund gebissen wurde, verspürt den Rest seines Lebens ein Alarmsignal, wenn er einem Hund begegnet.
Unser Leben hängt davon ab, Entscheidungen schnell treffen zu können. Gleichzeitig ist es ratsam, hin und wieder kritisch eine Entscheidung, eine Aussage oder die eigene Meinung zu überprüfen.
Meist wissen wir um unsere Biases, Vorurteile und subjektive Wahrnehmung sehr wenig und erkennen selten, an welcher Stelle sie unser Urteil verzerren. Kritisches Denken fällt nicht vom Himmel! Es ist unbequem und anstrengend, diese metakognitive Fähigkeit zu trainieren. Lieber geben wir unserer Gewohnheit nach und stellen Behauptungen auf, von deren Wahrheitscharakter wir -vermeidlich! - überzeugt sind z.B. „Mädchen sind weniger begabt für Naturwissenschaften, als Jungs.“
Wissenschaftlich wurden zahlreiche dieser von unserem Gehirn produzierten „Denkfehler“ untersucht. Hier ein paar, die schon helfen könnten, wenn man darum weiß:
Der Negativitäts-Effekt (Negativity-Bias) - Tendenz negative Nachricht stärker zu bewerten und sich daran zu erinnern, als positive Nachrichten. Wir nehmen uns Tadel, Kritik oder schlechte Note mehr zu Herzen, als Lob, Erfolg und gute Leistungsergebnisse. Aus evolutionsbiologischer Sicht macht das zwar Sinn, doch verzerrt es unsere Wahrnehmung und unser Selbstbild maßgeblich.
Der Bestätigungsfehler (Confirmation Bias) - Informationen, die unsere Meinung bestätigen werden übernommen oder passend interpretiert. Unserer Vorstellung entgegen wirkende Informationen werden übersehen, ignoriert und ausgefiltert. Bestes Beispiel ist die Diskussion um Impfungen.
Kognitive Dissonanzen (Cognitive Dissonance) - Wenn unsere Wahrnehmung mit der Realität nicht übereinstimmt, kommen wir in eine Art innere emotionale „Schieflage“. Das, was wir bislang meinten, zu wissen, wird durch zusätzliches, neues Wissen ins Wanken gebracht und führt zu einem inneren Konflikt. Klaffen Wunschdenken und Realität auseinander, tendieren wir dazu, die Realität "umzubasteln", um unser bisheriges (Wunsch)Denken aufrechterhalten zu können. Bsp. Der Umwelt zuliebe sollte ich mit dem Fahrrad ins Büro fahren, aber dann komme ich immer so verschwitzt an, das will ich meinen Kollegen nicht zumuten.
Der Wahrheits-Effekt (Validity-Effekt oder Illusory Truth Effect) - Je öfter wir etwas hören, desto mehr glauben wir, dass es wahr ist. Wir alle kennen das von unseren Kindern: „Aber der Karl, die Lisa UND der Max haben das gesagt!“ und Soziale Medien fördern diesen Bias außerordentlich.
Die Sozialpsychologin Heidi Grant Halvorson hat zu diesem Thema ein großartiges Buch publiziert „No one understands me and what to do about it“. Mir ist bislang nicht bekannt, dass es eine deutsche Übersetzung gibt.
Wir alle unterliegen diesen Verzerrungen und überprüfen mögliche Trugschlüsse eher selten auf Fakten, weil wir vermeidlich ein gutes Bauchgefühl haben. Und in unserem Bestreben uns „sicher & gut“ zu fühlen, bringen wir, respektive unser Gehirn, Dinge in Zusammenhang, die nichts miteinander zu tun haben. Wir vergessen zu hinterfragen, wie unser Gehirn auf die Schlussfolgerung kommt, auf die es eben kommt. Es ist möglich sich zu trainieren Logik, Verzerrungen und Wahrscheinlichkeit von Gedanken, Aussagen oder Behauptungen abzuklopfen - die eigenen oder die der anderen. Darüber nachzudenken, warum, woher oder weshalb ich denke, was ich denke, kann in wichtigen Entscheidungsprozessen ausschlaggebend sein.
Kritisches Denken erfordert manchmal auch etwas nicht zu wissen, ein gewisses Maß an Ungewissheit auszuhalten, zu akzeptieren, dass eine eindeutige Kausalität nicht zutrifft und wir unser Bedürfnis nach Gewissheit nicht befriedigen können.
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